In diesem Blog-Beitrag beschäftigen wir uns mit einem bereits umgesetzten Projekt – den BürgerInnengarten in Mistelbach. Im Gespräch mit Projektbetreuerin Frau Brigitte Schodl haben wir uns das Konzept ein bisschen näher angesehen.
Worum handelt es sich bei dem Projekt “BürgerInnengärten”? Und was war der Anlass/die Idee dahinter?
Die Idee hinter dem Projekt war, dass Bürgerinnen, die keinen eigenen Garten haben, auch die Möglichkeit erhalten ihr eigenes Obst, Gemüse oder Blumen anzubauen. Die Stadt Mistelbach ist in den letzten Jahren durch regen Wohnungsbau rasant gewachsen. Somit ist auch die Anzahl der BürgerInnen gestiegen, die in Wohnungen leben, keinen eigenen Garten haben, aber trotzdem einen Teil ihrer Freizeit in der Natur verbringen möchten.
Ein weiterer Trend ist, dass die BürgerInnen selbst beeinflussen möchten, was auf ihren Teller kommt und unter welchen Bedingungen, die Nahrungsmittel produziert werden. Eine große Rolle spielen auch die zahlreichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die von stark verarbeiteten, denaturierten und mit künstlichen Zusätzen versehenen Lebensmitteln hervorgerufen werden.
Für die Initiierung des BürgerInnengartens hat auch gesprochen, dass es viele Menschen regionale und saisonale Lebensmittel regional genießen möchten und solche, die unter massiven Pestizideinsatz und Wasserverschwendung auf großen Monokulturen produziert werden, ablehnen.
Die Idee zum Projekt wurde in einer Sitzung der Stadterneuerung im Jahr 2013, im Arbeitskreis „Gesundheit und Soziales“, gefasst.
Wie wird das Projekt von der Bevölkerung angenommen?
Die Parzellen in den BürgerInnengärten sind derzeit alle vermietet. Das zeigt, dass der Trend zum eigenen Anbau ungebrochen anhält. Durch Bewerbung des Projektes in den Gemeindemedien und in den sozialen Medien sind die BürgerInnengärten in der Stadt wie auch in der Region bekannt. Wir erhalten öfter Anfragen von anderen Gemeinden, die ein ähnliches Projekt umsetzen möchten und bspw. an der Vorgangsweise oder den Kosten für die Gemeinde interessiert sind.
Welchen Stellenwert haben die „BürgerInnengärten“ in Zeiten der Corona-Krise?
In Zeiten der Coraona-Krise und einem möglichen Versorgungsengpass mit Lebensmitteln, nimmt die Lebensmittelproduktion regional, vor der Haustür, eine wichtige Schlüsselrolle ein. Die gesetzlichen Beschränkungen seitens der Regierung wurden rechtzeitig aufgehoben, so dass die MieterInnen die Parzellen in den BürgerInnengärten nun bepflanzen können und mit angemessenem Abstand zu anderen bewirtschaften können. Das Bedürfnis sich in Krisenzeiten zumindest teilweise selbst mit Obst und Gemüse versorgen zu können, ist dadurch gestiegen und damit auch die Wertschätzung für regionale Produkte.
Mistelbach ist “Natur im Garten”- Mitglied, das heißt die Stadt verzichtet auf chemisch-synthetische Pestizide und chemisch-synthetische Düngemittel sowie auf torfhaltige Produkte. Welche Rolle spielt Natur im Garten bei den BürgerInnengärten?
Als „Natur im Garten Gemeinde“, die wir seit 2019 sind, gehen wir als Gemeinde mit gutem Beispiel im Bereich des Klimaschutzes voran. Wer eine Parzelle in den BürgerInnengärten mietet, verpflichtet sich vertraglich die Parzellen biologisch zu bewirtschaften und auf chemisch-synthetische Pestizide und chemisch-synthetische Düngemittel zu verzichten. Weiters bieten wir den BürgerInnen als Gesunde Gemeinde einmal im Jahr einen Vortrag “Natur im Garten”- Thema an, zu dem wir auch die MieterInnen einladen. Anschließend an den Vortrag gab es im Vorjahr erstmals einen Pflanzentauschmarkt, der sehr gut angenommen wurde.
Mistelbach ist weiters “Gesunde Gemeinde” sowie “Klimabündnis-Gemeinde”. Welche positiven Auswirkungen hat Ihr Projekt auf die Gesundheit der Bevölkerung bzw. den Klimaschutz?
Die Stadtgemeinde Mistelbach setzt Gesundheitsförderungs- und Präventionsprojekte um, die für einen gesünderen Lebensstil der BürgerInnen sorgen und den sozialen Zusammenhalt stärken. Weiters werden Maßnahmen gesetzt, welche die körperliche und seelische Gesundheit fördern. Auswirkung auf den Klimaschutz haben die BürgerInnengärten insofern, dass diese in den Gemeindemedien immer wieder präsent sind. Dadurch wird das Bewusstsein für nachhaltige eigene Produktion zur Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks auch bei anderen Personen geweckt und diese dann zum Gärtnern im eigenen Garten motiviert. Weiters befinden sich die BürgerInnengärten in unmittelbarer Nähe zu Wohnkomplexen in Zentrumsnähe und sind somit zu Fuß und mit dem Rad gut erreichbar.
Die Themen Migration und Integration werden in den letzten Jahren viel diskutiert. Das Projekt “BürgerInnengärten” ist es ein positives Beispiel dafür, wie über das gemeinsame „garteln” MigrantInnen und schon lange in Mistelbach Ansässige in einen positiven Austausch kommen können. Welche Voraussetzungen sind dafür notwendig gewesen? Und welche positiven Erlebnisse gab es diesbezüglich?
Die Parzellen werden an alle Personen, die den Wunsch äußern zu garteln, vermietet. Neben einer nicht unbeträchtlichen Anzahl an Stammmietern, die schon seit der ersten Saison 2014 dabei sind, gibt es Personen, die für mehrere Jahre eine Parzelle mieten, aber auch solche (zwar wenige) die bereits nach einer Saison den Mietvertrag beenden. Zumeist kennen sich die Stammmieter besser und helfen bei Bedarf den Neumietern. Dadurch kommt man ins Gespräch. Ich selbst besuche die BürgerInnengärten an manchen Sommerabenden mit dem Rad und spreche mit den MieterInnen. Ich denke, dass das Erfolgserlebnis darin liegt, dass jeder der gartelt und Kontakt sucht, diesen auch unter den anderen Personen, die garteln und sich austauschen möchten, findet. Seitens der Gemeinde sind wir da, um eine Plattform zu bieten um sich auszutauschen. Wir laden zu Veranstaltungen ein und geben auch den notwendigen Freiraum. Es gab bisher keine Probleme mit Vandalismus, Diebstahl und dergleichen.
Die Herkunft der Mieterinnen und Mieter, einige davon mit Migrationshintergrund, aus den Ländern Kroatien, Bosnien, Albanien und Rumänien ist ebenso unterschiedlich wie die Zielgruppen, die Parzellen bewirtschaften. Neben jungen Ehepaaren mit Kindern, älteren Ehepaaren und Singles, hatten u. A. auch eine Schulklasse der HAK-Mistelbach, Klienten des Psychosozialen Zentrums mit ihrem Betreuer als auch Freiwillige mit Flüchtlingen aus Syrien und Afghanistan Parzellen angemietet. Beim gemeinsamen garteln kommt man ins Gespräch, was zur Integration der zugewanderten Mistelbacher in der Stadt beiträgt.
Da wir nächstes Jahr den Schwerpunkt Ernährung setzen möchten, könnte ich mir in ein größeres Projekt, in dem ein Kochworkshop der Gesunden Gemeinde eingebettet wird, der unter Teilnahme der Mieterinnen und Mieter zu Saisonende mit den geernteten Produkten, Rezepten aus deren Herkunftsländern stattfindet, vorstellen. So eine Art Erntedankfest der BürgerInnengärten in der Küche der Bezirksbauernkammer Mistelbach, die wir für solche Zwecke anmieten können. Wir sind gespannt, wie diese Idee ankommt.
Das Ziel der Sustainable Development Goals (SDGs) ist immer alle 17 Ziele im Blick zu haben und auch Wechselwirkungen mitzudenken. Das Projekt BürgerInnengärten beeinflusst mehrere Ziele positiv. Welche SDGs sind Ihrer Meinung nach betroffen?
Da gibt es einige, am besten beschreiben das Projekt folgende SDGs: Nachhaltige Städte und Gemeinden, nachhaltiger Konsum und Produktion, Maßnahmen zum Klimaschutz und Leben an Land
Wenn andere Städte oder Gemeinden nun inspiriert sind auch ein Projekt “BürgerInnengärten” umzusetzen, worauf sollten sie besonders achten? Was sind die zentralen Erfolgsfaktoren bzw. was könnten Stolpersteine sein?
Nicht zu unterschätzen sind die Anschaffungskosten und die laufenden Kosten des Projektes: Es ist die Anschaffung der Infrastruktur mit nicht unerheblichen Kosten verbunden, Gartenzaun, Gartengerätehütte, Wasseranschluss, Miete der Fläche (zum Teil angemietete Fläche eines Anrainergrundstücks) und laufender Kosten durch Pflege. (Bauhofmitarbeiter müssen Flächen fräsen, bevor sie der neue Besitzer übernimmt, Bauhofmitarbeiter müssen die Fläche rundherum pflegen, Kosten für Wasser, Müllgebühr, da wir auch eine Restmülltonne und einen gelben Sack aufstellen lassen). Die Ausgaben an Arbeitsleistungen für die Bauhofmitarbeiter und Infrastruktur werden nicht durch die Miete der Mieterinnen abgedeckt.
Ein Stolperstein könnten sein, dass man auf den Wasseranschluss verzichtet. Es gibt Projekte, bei denen ein Landwirt z.B. ein Feld am Rande der Stadt zur Verfügung stellt und die Mieter bauen darauf an. In trockenen Jahren, wie wir diese nun haben, wächst ohne Bewässerung nichts. Auf Regenwasser können wir ja leider nicht hoffen. MieterInnen müssen selbst umgraben, wenn das Projekt leistbar sein soll. Das heißt, sie übernehmen die Parzelle im Frühling und wenn Sie diese im Herbst zurückgeben, muss sie in dem Zustand zurückgegeben werden, in dem sie übernommen haben.
Wir haben eine Gartenordnung verfasst, die Bestandteil des Mietverhältnisses ist. In dieser verpflichten sich die MieterInnen, die Fläche zu pflegen und im Gartengerätehäuschen Ordnung zu halten sowie nicht Benötigtes mit nach Hause zu nehmen. In den ersten Jahren hat die Lagerung von Rankhilfen, etc. im Gartengerätehaus etwas überhand genommen. Seit ich das Gartengerätehaus öfter kontrolliere und bei Bedarf, Dinge aussortiere, die dort nichts zu suchen haben, wird Ordnung gehalten. Das Verhältnis unter den Mieterinnen und Mietern ist gut. Wenn aber ein Mieter bemerkt, dass sein Nachbar die Parzelle stark verunkrauten lässt, dann meldet er sich in der Gemeinde und wir senden ein Schreiben an die jeweilige Mieterin, mit dem Ersuchen die Parzelle zu pflegen.
Das bedeutet es benötigt eine Person, die sich etwas kümmert: Verträge abschließen und kündigen, in den Gemeindegremien Beschlussfassungen vorbereiten, Kalkulationen für Investitionen erstellen, Arbeitsaufträge an den Bauhof weitergeben, Kontakt zu GärtnerInnen pflegen oder auch die mediale Bewerbung in den Gemeindemedien vor Saisonbeginn.
Wir haben auch lernen müssen, dass wir nicht alle Wünsche der Mieter erfüllen können. An einem lauen Sommerabend zu Grillen wäre natürlich verlockend, doch konnten wir dieser Bitte leider nicht nachgehen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir uns auf das Wesentliche ” das gemeinsame garteln” konzentrieren möchten.
Gibt es neben den BürgerInnengärten noch weitere umgesetzte bzw. geplante Aktivitäten der Stadt Mistelbach im Zusammenhang mit “Boden und Nachhaltigkeit”, über die Sie uns berichten wollen?
- Insektenwohfühloase auf dem „Tut gut!“ Schritteweg. – Dabei handelt es sich um ein Projekt mit der Schule.
Und kleine Flächen in der Stadtgemeinde, die bisher als Wiesen geführt wurden, werden, dort wo es möglich ist, als Blühfläche für Insekten vom Naturschutzbund NÖ ausgestaltet. - Weiters sind wir sehr stolz auf das Naturdenkmal Zayawiesen, die letzten Reste einer ehemals ausgedehnten Feuchtwiesenlandschaft, die sich von der Quelle der Zaya im Bereich der Leiser Berge bis zur Mündung in die March erstreckte. Auf den 16 ha des Naturdenkmals konnten bislang 105 Vogelarten nachgewiesen werden. Dies ist nicht alleine dem Umstand geschuldet, dass dieses Gebiet seit über 15 Jahren im Fokus der Weinviertler Ornithologen liegt. Erst eine abwechslungsreiche und ökologisch hochwertige Lebensraumausstattung ermöglichte das Auftreten einer so hohen Anzahl an Vogelarten. Dank ständiger Initiativen privater Personen gelang es eine Zeitlang die bedeutendsten Flächen offen zu halten. 2013 war jedoch de facto die Wiesennutzung eingestellt. Erhaltungs- und Pflegemaßnahmen durch mehrere Projekte und Aktivitäten wurden im Rahmen des Schutzgebietsnetzwerks Weinviertel zwischen 2013 und 2017 durchgeführt.
Vielen Dank für den ausführlichen Blick hinter die Kulissen der BürgerInnengärten in Mistelbach. Wir wünschen weiterhin gutes Gelingen.