Bodenschutz in Niederösterreich – Von Bodenschutzanlagen bis hin zum Bodenbündnis

2020 fokussieren wir uns auf das Thema Bodenschutz  und tauchen tiefer in das Thema “Boden und SDGs” ein. Christian Steiner, Leiter der Fachabteilung Landentwicklung in der NÖ Agrarbezirksbehörde und Vorstandsvorsitzender des Bodenbündnis Europäischer Städte und Gemeinden, erzählt uns über die politischen Handlungsebenen im Bereich Boden und welche Verbindungen er zu den SDGs sieht:

Herr Steiner, Sie sind im Land NÖ für den Bodenschutz zuständig und gleichzeitig der Vorsitzende des Bodenbündnis Europäischer Städte und Gemeinden. Welche Aufgaben haben Sie inne?

Hier sind mehrere Ebenen zu unterscheiden:

Die rechtliche Zuständigkeit für das NÖ Bodenschutzgesetz liegt bei der Abteilung Agrarrecht. Die von mir geleitete Fachabteilung Landentwicklung in der NÖ Agrarbezirksbehörde ist ausdrücklich für Grundlagenforschung verantwortlich. Auf Basis einer Bodenzustandserhebung aus den frühen 1990er Jahren werden Wiederholungsbeprobungen an ausgewählten Stellen durchgeführt; das sind meist sogenannte „hot spots“, an welchen Entwicklungen und Veränderungen in den Böden abgebildet werden können.

Der Bereich Bodenschutz in der Fachabteilung Landentwicklung führt Anzucht der Pflanzen, Planung, Auspflanzung und Pflege der Bodenschutzanlagen durch. Die praktischen Arbeiten werden von unserer Baumschule und den drei Bodenschutzstationen in Mistelbach, Obersiebenbrunn und Pyhra erledigt. Auf Grundlage eines Arbeitsprogramms werden jährlich rund 20 ha Neuanlagen ausgepflanzt und weitere bis zu 150 ha für maximal fünf Jahre gepflegt. Der Gesamtbestand an Bodenschutzanlagen (früher auch als Windschutzhecken bezeichnet) beläuft sich auf rund 3.000 ha. Diese Fläche entspricht einer Heckenlänge von ca. 4.000 km, die rund 100.000 ha Ackerflächen gegen Winderosion schützen, das Kleinklima verbessern und das Landschaftsbild bereichern.

Das Land Niederösterreich ist dem Europäischen Bodenbündnis im Jahr 2004 beigetreten und seither arbeite ich aktiv im Vorstand mit. Durch diese Vorbildfunktion des Landes ist es gelungen, mehr als 80 Gemeinden sowie Vereine, Schulen und Firmen zur Mitgliedschaft zu motivieren. Um das Thema Bodenschutz bekannt zu machen, betreiben wir Öffentlichkeitsarbeit, kooperieren mit verschiedenen Organisationen und beteiligen uns an grenzüberschreitenden Projekten.

Welche SDGs sind durch Ihre Aufgabenbereiche betroffen?

Durch die fachliche Zuständigkeit für Bodenschutz sind wir mit verschiedenen Nachhaltigkeitszielen konfrontiert, besonders aber mit SDG 15 Leben an Land. Insbesondere durch die Realisierung von Bodenschutzanlagen versuchen wir einen Beitrag zur Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und zur Anpassung an den Klimawandel zu leisten.

Aktuell ist eine Studie zu SDGs und Boden erschienen. – Was sind die wesentlichen Botschaften der Studie?

Die vom Fachbeirat für Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz eingerichtete Arbeitsgruppe „Boden und nachhaltige Entwicklungsziele“ erarbeitet derzeit einen Überblick sowie Vorschläge und Empfehlungen zur Umsetzung in Österreich. Aus Sicht der Ressource Boden haben die SDGs 2 Kein Hunger, 6 Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen, 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden, 13 Maßnahmen zum Klimaschutz sowie 15 Leben an Land höchste Relevanz.

Dabei sticht SDG 15 mit dem Unterziel 15.3 besonders heraus, in dem für den Bodenschutz so zentrale Punkte wie die Sanierung von geschädigten Böden und die Schaffung einer bodendegradationsneutralen Welt angesprochen werden. Zur Beurteilung dieser Faktoren sollen geeignete Indikatoren festgelegt, regelmäßig erhoben und berichtet werden.

Wenn Sie an die letzten Jahre/Jahrzehnte zurückdenken: Was sind die wesentlichsten Erfolge in NÖ im Zusammenhang mit Boden und Nachhaltigkeit?

Bodenschutz liegt in der Zuständigkeit der Länder. Mit dem Beschluss einer Thematischen Strategie für den Bodenschutz und der intensiven Diskussion einer EU Bodenrahmenrichtlinie ab 2005 mussten daher die Länder eine mit dem Bund abgestimmte Position gegenüber der EU Linie vereinbaren. Dieser äußere Anstoß hat auch auf anderen Ebenen zu engeren Kooperationen geführt. So wurde u.a. das Bodenforum, eine Plattform zum fachlichen Austausch von Wissenschaft, Verwaltung und Interessensvertretungen, ins Leben gerufen und auch der Fachbeirat für Bodenfruchtbarkeit und Bodenschutz bearbeitet ein umfassendes Aufgabenfeld.

In NÖ wurde 2007 die Kampagne „unser Boden – wir stehen drauf!“ gestartet. Ein deutlich sichtbares Signal war die Überreichung von Bodenzeichen an aktive Bodenbündnis-Gemeinden in NÖ. Wichtige Akzente wurden auch durch die Initiative „Malen mit Erdfarben“ gesetzt, mit der rund 80.000 SchülerInnen und Jugendliche erreicht werden konnten. Die NÖ-Aktivitäten zum Bodenschutz sind auf der Homepage www.unserboden.at dokumentiert.

NÖ engagiert sich auch auf europäischer Ebene für den Bodenschutz. Zusätzlich zum Europäischen Bodenbündnis leitet die Abteilung Landentwicklung den Arbeitskreis „Nachhaltigkeit, Energie und Umwelt“ in der ARGE Donauländer und ist in den jeweiligen bodenspezifischen Arbeitsgruppen der EU Strategie für den Donauraum (EUSDR) und der EU Strategie für den Alpenraum (EUSALP) engagiert.

Was sind die Anliegen der „Arbeitsgemeinschaft Donauländer“ und warum sind grenzüberscheitende Initiativen Ihrer Meinung nach im Bereich Bodenschutz wichtig?

Die ARGE Donauländer wurde unmittelbar nach dem Fall des Eisernen Vorhangs als regionaler Verbund im nun offenen Donauraum gegründet. Zentrales Anliegen war und ist ein Austausch zwischen unterschiedlichen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Verwaltung und Wissenschaft. Das Thema Bodenschutz wurde von Beginn an im Rahmen der Arbeitsgruppe Raumordnung behandelt. Als inhaltliche Grundlagen dient die Deklaration Bodenschutz aus dem Jahr 2002. Grenzüberschreitende Aktivitäten bieten die Möglichkeit, einen regelmäßigen Erfahrungsaustausch zu betreiben, im Rahmen von Exkursionen Beispiele zu präsentieren und im günstigsten Fall – unter Verwendung von europäischen Programmen – gemeinsame Projekte zu initiieren und umzusetzen.

Gerade in Zeiten wie diesen (Corona-Krise) – lernt man den Wert der Landwirtschaft im eigenen Land wieder mehr zu schätzen. Wo sehen Sie in den nächsten Jahren hinsichtlich Erreichung der SDGs die größten Herausforderungen für Niederösterreichs Böden?

Die Frage der Ernährungssicherheit wird nicht erst durch die Corona-Krise intensiv diskutiert. Aktuelle Gefährdungen für unsere Böden sind insbesondere der fortschreitende Klimawandel und die massive Flächeninanspruchnahme für Gewerbegebiete, Bauland, Erholungsnutzung und Verkehrsinfrastruktur. Verschiedene Studien zeigen, dass infolge des Klimawandels bei bestimmten Kulturen die Eigenversorgung längerfristig nicht aufrechterhalten werden kann. Dies trifft v.a. die Ackerbaugebiete in NÖ, die immerhin 50% der Produktionsleistung von Österreich erbringen.

Böden haben neben der Produktion von Nahrungs- und Futtermitteln, Rohstoffen und Energie aber auch andere wichtige Funktionen wie Wasserrückhalt, Filter-, Puffer- und Speichermedium, Lebensraum, etc. zu erfüllen. Am Beispiel der Böden zeigen sich sehr eindringlich die vernetzten Zusammenhänge und Wechselwirkungen.

Noch kurz zum Bodenbündnis Europäischer Städte und Gemeinden (European Land and Soil Alliance = ELSA). Das europäische Bodenbündnis, bei dem auch das Land NÖ assoziiertes Mitglied ist und sie gerade Vorstandsvorsitzender sind, feiert heuer sein 20jähriges Bestehen. – Was wollen Sie uns dazu erzählen? Auf was wollen Sie uns hierbei besonders aufmerksam machen?

Das Europäische Bodenbündnis veranstaltet jährliche Konferenzen in seinen Mitgliedsregionen und Mitgliedsgemeinden. Dabei greifen wir aktuelle Schwerpunkte zum Bodenschutz auf, um verschiedene Interessensgruppen anzusprechen. Das Europäische Bodenbündnis wurde auf Grundlage des Bozener Manifests im Jahr 2000 in Bozen gegründet. Aus diesem Anlass war die diesjährige Jahrestagung unter dem Titel „Flächenverbrauch – Klimawandel – Mikroplastik“ geplant.

Aufgrund der aktuellen Situation müssen wir die Veranstaltung in das nächste Jahr verschieben und hoffen, Sie im Mai 2021 in Bozen begrüßen zu dürfen!

Herzlichen Dank für das Interview!

Foto: Kyle Ellefson by unsplash