Um Gleichstellung und Klimaschutz zu erreichen, braucht es Mut und Durchhaltevermögen. Erst im Oktober wurde eine Studie veröffentlicht, die zeigt, dass es weltweit noch 40 Jahre dauert, bis Frauen in politischen Führungspositionen gleichgestellt sind. Und auch auf der COP 27 in Ägypten sind die Verhandlungen um die CO2 Reduktionen intensiv und zäh. Es wurde deutlich, wie unterschiedlich Erwartungen und Bedürfnisse sein können.
Um die unterschiedlichen Bedürfnisse ging es auch beim 3. Stakeholder-Dialog von gleich.wandeln am 16. November 2022 im Landhaus St. Pölten. Seit zwei Jahren begleitet uns nun die Kombination dieser beiden Querschnittsmaterien. Zeit unsere Erkenntnisse und Erfahrungen zu teilen.
Welche Benefits bringt Gleichstellung?
Doris Bichler, von der Abteilung Familie und Generationen im Land Niederösterreich, erklärte zu Beginn in Ihrer Präsentation über den Begriff „Gender Mainstreaming“ auf. Eine Strategie die 2002 im Landtag beschlossen wurde und zum Ziel hat Gleichstellung zu erreichen. Die Gender-Brille soll in allen Bereichen des Landes berücksichtigt werden. Sei es bei der Planung von Projekten, Gesetzen oder Förderungen. Wichtig ist, die unterschiedlichen Bedürfnisse sowie die geschlechter-spezifische Wirkungen zu überprüfen.
Das deckt sich stark mit einer unseren ersten Erkenntnissen. Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es eine stärkere Einbeziehung von Frauen in Entscheidungsprozesse. Sei es durch das aktive Mitdenken der unterschiedlichen Bedürfnisse oder auch gerechtere Beteiligungsformen.
Frauen arbeiten öfter in Teilzeit, unter anderem, weil sie aufgrund der gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen häufiger für die Kinderbetreuung und Pflege von Familienmitgliedern zuständig sind.
„Menschen, die Sorgearbeit leisten, legen häufiger Wegeketten statt einfachen Pendelstrecken zurück. Das bedeutet zum Beispiel, dass sie auf dem Weg von der Arbeit nach Hause noch mehrere Stopps einlegen, wie an der Pflegeeinrichtung, am Supermarkt und am Sportverein des Kindes. Diese Stopps befinden sich meist im näheren Wohnumfeld. Dementsprechend sind Frauen und alle, die Sorgearbeit leisten, stärker auf engmaschige Fuß- und Radwege angewiesen.“ so eine anschauliche Zusammenfassung auf der Website womanmobility.org.
Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir aber auch das Potential aller nutzten. Für Theresa Mai von Wohnwagon ein Grund auf gemischte Teams zu achten, die effektiver und kreativer arbeiten. Denn Frauen haben andere Sicht- und Herangehensweisen. Für Therese Mai war bspw. von Anfang an klar, dass sie mit Zuliefernden und Produzierenden eine enge Beziehung auf Augenhöhe führen möchte. Dabei setzt sie nicht immer auf den billigsten Preis, sondern auf Qualität und Verlässlichkeit. In der Zeit von multiplen Krisen bewährte sich dieses Konzept.
Wir müssen Frauen mehr ermutigen, Führungspositionen einzunehmen, so lautet eine von drei Forderungen von UN Woman am Gender Day bei der COP 27. Dafür müssen aber auch die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. Der Windkraft Simonsfeld, einer Aktionsgesellschaft mit über 80 Mitarbeiter:innen, ist dies bereits gelungen. Führungskräfte können in dem NÖ-Betrieb auch in Teilzeit arbeiten.
Wie wichtig Rahmenbedingungen sind, erläuterte auch Karmen Mentil die sich in ihrer langjährigen Erfahrung als Beraterin von regionalen Entwicklungsprozessen immer wieder als einzige Frau in Besprechungen wiederfand. Das hat sie motiviert, im Rahmen eines LEADER-Projektes speziell Webinare nur für Frauen anzubieten. Die Teilnahme stieg, denn erste Hemmschwellen konnten unter den Frauen rascher abgebaut werden. Ein zweiter wichtiger Punkt, den sie mitgeben möchte: Bei der Terminfindung von Besprechungen muss für eine gleichberechtige Teilhabe auf familiäre Verpflichtungen Rücksicht genommen werden.
Welche Veränderungen braucht es, um Gleichstellung im Klimaschutz zu erreichen? Über 20 Teilnehmer:innen tauschten sich im Rahmen der Dialog-Veranstaltung darüber aus und entwickelten einige konkrete Ansätze:
Mehr weibliche Role-Models für erneuerbare Energie
Die aktuellen Krisen sind für uns alle herausfordernd. Durch staatliche Förderungen im Bereich erneuerbare Energie soll die Energiewende langfristig möglich gemacht werden. Es stellt sich jedoch die Frage, ob und wie Frauen Zugang zu diesen Förderungen haben. Plakativ gesprochen: Welche Benefits hat eine alleinerziehende Mutter im Mehrparteienhaus, ohne Auto von der Förderung von Photovoltaikanlagen oder e-Autos? Keine Frage, diese Förderungen sind wichtig und sinnvoll, im Sinne einer sozialen Gerechtigkeit sind aber gleichwertige Förderpakte für soziale Schwache Schichten notwendig.
Bei der Wort- und Bildsprache haben die Teilnehmer:innen im Bereich Energie noch aufholbedarf festgestellt. Oder kennen Sie ein Bild von Frauen, die PV-Anlagen installieren?
Gendergerechte Visionen in der Raumplanung
Die Raumplanung spielt in der Klimakrise eine wichtige Rolle, denn hier werden langfristige Weichen für die Entwicklungen von Regionen gestellt, die im Nachhinein schwer zu korrigieren sind. In diesem Bereich sind speziell Entscheidungsträger:innen und Expertinnen und Experten (Raumplanungsbüros, Architekturbüros, Beratungsorganisationen für Regionalentwicklung…) gefragt. Bei Planungsprozessen, aber auch in Entscheidungsgremien müssen Frauen vertreten sein. Dies könnte u.a. durch eine gesetzliche Regelung festgeschrieben werden. Für Gemeinden wären klare Rahmenbedingungen für nachhaltige gendergerechte Gemeindegestaltung, die auch eine Handhabe für Bauträger bieten, eine Unterstützung.
Was es in jedem Fall braucht, sind Strukturen und Menschen in Gemeinden, die Visionen zulassen und Beteiligung der Bevölkerung am Gestaltungsprozess ermöglichen.
Barrierefreie Wege ermöglichen
Wie bereits erwähnt legen Frauen häufiger Wegeketten innerhalb des Ortes zurück und das oft in Begleitung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. Neben dem Vorhandensein von engmaschigen Fuß- und Radwegen, geht es auch um die Ausgestaltung dieser Verkehrsflächen. Hier spielt z. B. Barrierefreiheit eine große Rolle. Besteht am Gehweg genug Platz für einen Kinderwagen, kommt man mit einem Rollator gut über die Gehsteigkante? Wie sicher ist es mit Kindern und RAd im Ort unterwegs zu sein? Wie gut ist der innerörtliche öffentliche Verkehr ausgebaut? Gibt es ausreichend Platz für Kinderwägen im Bus?
Um ein Bewusstsein für all diese Aspekte zu bekommen, könnte man eine Begehung durchführen. Der Gemeinderat schlüpft in die Rollen und wird mit Kinderwagen und Rollator ausgestattet. Herausforderungen und fehlende Infrastruktur könnte so besser wahrgenommen werden. Ein anderer Ansatz ist, Frauen stärker direkt in die Planung zu involvieren – wo neben Ermutigung aber auch die Rahmenbedingungen, wie Uhrzeit etc., passen müssen.
Nachhaltiger Konsum muss leistbar sein
Im Bereich Konsum und Lebensstil kommt man an einer „Werte-Diskussion“ nicht vorbei. Die Transformation kann bspw. durch gutes Story-Telling und Bewusstseinsbildung gelingen. So wäre es wünschenswert, wenn wir mit den „richtigen Dingen” angeben, nämlich jenen die einen nachhaltigen Konsum- und Lebensstil repräsentieren.
Ein Kleid von der Oma mit einer Familiengeschichte hat mehr Wert als ein Fast Fashion T-Shirt. Der Kaffee aus dem fairen Handel, schafft sichere Arbeitsplätze. Das Second-Hand Handy funktioniert genauso gut wie ein Neues. Von den vielen Einzelgeschichten muss dann die Ebene des systemischen Ansatzes erreicht werden. Denn es braucht gesellschaftspolitische Veränderungen, bspw. durch Gleichstellung bei Gehältern, Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit und eine langfristige soziale Absicherung.
Wie geht es weiter
Wie wichtig eine gerechte und ausgeglichene Belegung von politischen Führungspositionen ist, wurde uns in den letzten zwei Jahren bewusst. Es gibt hier jedoch noch Aufholbedarf. Daher freuen wir uns auf eine Fortsetzung von gleich.wandeln im Jahr 2023 und werden uns verstärkt mit dem Thema „Frauen in den Orten der Zukunft“ auseinandersetzen.