Frau Rocinela Ortiz – Castillo aus Peru lebt seit 18 Jahren in Österreich und arbeitet als Projektmanagerin beim Klimabündnis Oberösterreich. Sie hat Politikwissenschaft studiert und engagiert sich seit ihrer Jugendzeit für soziale und ökologische Themen!
Die Südamerikanerin orientiert sich in ihrem Leben nach der lateinamerikanischen Weltanschauung der „Kosmovison“! „Wir sind der Natur nicht überlegen, vielmehr sind die Menschen ein Teil der Natur. Alles was existiert, alle Pflanzen, Tiere und Menschen stehen miteinander in einer Beziehung. Alles steht in Verbindung zueinander. Es gibt eine direkte Verbindung zwischen Mensch und Tier, zwischen Tier und Berg, zwischen Meer und Sonne, und auch zwischen Mensch und Stern. Alles, was existiert, nimmt seinen exakten Platz im Gefüge ein. Dieser Grundsatz der Kosmovision, hat mich seit meiner frühesten Kindheit begleitet“ erzählt Rocinela Ortiz – Castillo
Es war ein Fest – die Kindheit in Peru
Ihr Vater stammt aus der indigenen Bevölkerung, er war Lehrer und wurde sehr geschätzt, weil er sich in der Gewerkschaft sehr für die Rechte der LehrerInnen eingesetzt hat. Leider ist er vor einigen Jahren verstorben. Ihre Mutter ist gelernte Apothekerin und arbeitet als Kosmetikerin in Lima. Mit ihren Eltern und ihren drei Geschwister ist sie in der Hauptstadt von Peru aufgewachsen. Sie hat ihre Kindheit genossen. Die Erinnerungen daran sind sehr lebendig, besonders das gesellschaftliche miteinander in Lima wird sie nie vergessen.
„Es war ein Fest obwohl kein Fest war, alles hat sich auf der Straße abgespielt. Die Kinder haben viel Sport gemacht, die Erwachsenen haben sich unterhalten…natürlich war das Leben nicht leicht,
in unserer Siedlung haben auch viele wirklich arme Leute gelebt, aber die Menschen haben sich gegenseitig unterstützt! Es war alles wie eine große Familie“.
Obwohl ihre Familie zur Mittelschicht gehörte, kämpften die Eltern viele Jahre lang darum der Armut zu entkommen. Vor allem, weil die Situation in Peru in den 1980er und 1990er Jahren wirtschaftlich und politisch sehr schwierig war.
In den Geschäften und auf den Märkten gab es oft keine Lebensmittel mehr und der Kauf von Reis und Fleisch war sehr teuer, sodass es am Esstisch der Familie Ortiz – Castillo höchstens einmal in der Woche Fleisch gab. Manchmal gab es auch kein Wasser aus der Leitung. Wenn sie Glück hatten kam stattdessen ein Wassertankwagen, bei dem sie sich um Wasser anstellen konnten.
In ihrer Schulzeit hatten die Mädchen zwar die gleichen Rechte wie die Burschen, aber durch die „Machokultur“ in Peru, hat Rocinela Ortiz – Castillo immer gespürt: Dass die Burschen kräftiger und irgendwie wichtiger sind und so die männlichen Kinder letztendlich schon immer bevorzugt wurden.
Aber das hat sich inzwischen verändert. Die feministische Bewegung in Peru ist stärker geworden, durchaus vergleichbar mit Europa! Viele Frauen sind in Führungspositionen gekommen, es wird gleicher Lohn für gleiche Arbeit gefordert und ein anderes Bewusstsein für Geschlechter und Gleichstellung entsteht.
Der Weg von Peru nach Österreich
Rocinela Ortiz – Castillo hat in ihrer alten Heimat ein Studium als Dolmetscherin begonnen. Die deutsche Sprache hat sie dabei am meisten interessiert. Ursprünglich war der Plan nach Deutschland zu gehen. Geworden ist es dann Österreich. Über eine Bekannte ihrer Mutter hat sie die Möglichkeit erhalten, ein Jahr in der Stadt Salzburg zu leben. Dort angekommen ist sie gekommen um zu bleiben. Weil Umwelt und Politik für die Peruanerin auch in ihrer Heimat immer schon relevant waren, hat sie das Studium gewechselt und in Österreich Politikwissenschaft studiert. Als Schwerpunktthema hat sie sich für internationale Umweltpolitik entschieden. Weil sie später nach Linz gezogen ist hat sie ein Praktikum beim Klimabündnis Oberösterreich gemacht und daraus wurden mittlerweile schon elf Jahre als Projektmanagerin!
Als Südamerikanerin kann sie beim Klimabündnis natürlich viel Expertise zur Klimagerechtigkeit einbringen. Wenn es um die Partnerschaft mit der indigenen Bevölkerung im Amazonasregenwald geht, bringt Rocinela ganz persönliche Erfahrungen aus erster Hand mit.
Klimagerechtigkeit war für sie immer ein wichtiges Thema, schon in der Kindheit. In Peru gibt es viele Indigene denen es nicht gut geht. Gerade die naturverbundene Bevölkerung wird benachteiligt. „Die alten historischen Spuren der Kolonialisierung durch die reichen Herrn aus Europa sorgen noch heute für Diskriminierung gegenüber der Indigenen in Peru“ meint Frau Ortiz – Castillo, dieser Umstand hat schon früh dazu beigetragen, dass sie sich für soziale Gerechtigkeit einsetzt!
Viele der Indigenen sprechen kein Spanisch, sondern ihre eigene Inker – Sprache. Sie wollen nicht in Städte ziehen, sondern in den Regenwaldregionen bleiben- Das ist nur ein Grund warum ihnen der Zugang zur Bildung verwehrt bleibt. Verbessert hat sich aber das Selbstwertgefühl: vor 20 Jahren haben sich noch viele Indigene für ihre Herkunft geschämt und wollten nicht über ihre Wurzeln reden, mittlerweile gibt es mehr Stolz auf die indigene Kultur und Lebensform.
Ein Projekt das sie auch beim Klimabündnis betreut, sind die Oberösterreichischen FAIRTRADE Gemeinden. Ein Herzensanliegen für sie, besonders, wenn sie direkt aus Peru berichten kann, und den Gemeinden in Österreich vermittelt, was sich gerade auch für die Frauen in der Landwirtschaft verbessert, wenn sie FAIRTRADE BäuerInnen werden können.
„Es gibt in Österreich so viele Menschen, die sich für die Verbesserungen der Lebensverhältnisse einbringen, da gibt es ein großes Bewusstsein, das berührt mich sehr!“ erzählt die Projektmanagerin.
Von Herausforderungen und Herzensanliegen
Das größte Herzensanliegen ist ihr jedoch ihre Tochter Isabella, die in Linz in die Volksschule geht und als Österreicherin zweisprachig aufwächst! Isabella ist sehr stolz auf ihre südamerikanischen Wurzeln. Sie wächst mit zwei Kulturen auf, war auch schon oft in Peru, wo sie mit der Urgroßmutter sogar schamanische Rituale lernt. Sie genießt ihre Welt der zwei Welten!
Frau Ortiz – Castillo wünscht sich, dass sich ihre Tochter in einer fairen Welt, wo die Geschlechter wirklich gleichgestellt sind, frei entfalten kann. Denn egal ob in Peru oder in Österreich, auch hier zu Lande bekommen Frauen oft noch immer nicht den gleichen Gehalt für die gleiche Leistung.
Nach wie vor ist es für Frauen schwieriger, Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen, Frauen bekommen noch immer viel weniger Pension, und hier ist da wie dort noch viel zu tun!
Die aller größte Herausforderung aber sieht Ortiz – Castillo weltweit im Klimawandel, der trifft alle Regionen der Erde!
In Peru gibt es große Probleme mit der Trinkwasserversorgung! Die Gletscher in den Anden sind schon bis zu 50 % geschmolzen, und könnten in 30 Jahren verschwunden sein. Obwohl Peru noch eine besonders hohe Artenvielfalt besitzt und über 60% des Landes aus Regenwald besteht, ist nur ein kleiner Teil durch Nationalparks geschützt. Die Abholzung und Verschmutzung schreitet leider mit hoher Geschwindigkeit voran. Außerdem ist die Goldsuche im Amazonasgebiet ein großes Problem geworden. Peru ist das fünft größte Goldexportland der Welt. Illegale Goldsucher trennen mit Quecksilber die aus den Flüssen gewaschenen Goldpartikel. Das toxische Schwermetall verseucht Wasser und Boden im Regenwald.
Bei all diesen Bedrohungen und Schwierigkeiten, möchte Rocinela Ortiz – Castillo dennoch optimistisch in die Zukunft schauen: „Ich sehe in Peru viele Menschen die sich für Umwelt und Gerechtigkeit engagieren, ich sehen das in Österreich genau so. Es gibt so viele Initiative die Verbesserungen bewirken.
Und schließlich schöpft sie viel Kraft und Zuversicht durch ihren Glauben an die indigene Kosmovision: “Wir sind nicht alleine, Alles ist miteinander in Beziehung und ich sehe viel mehr Gemeinsamkeiten, zwischen den Menschen in Europa und den Menschen in Südamerika als Unterschiede!
Wir alle haben den selben Planeten, und wir alle können viel tun, damit er auch für künftige Generationen lebenswert bleibt!“ ist die Klimabündnis Mitarbeiterin überzeugt!
von Thomas Wackerlig, Berater der FAIRTRADE Gemeinden NÖ