First Lady Doris Schmidauer im Interview: Über Frauen und die Klimakrise

gleich.wandeln hat mit der Ehefrau des mächtigsten Mannes in Österreich gesprochen: First Lady Doris Schmidauer über ihre Herzensanliegen, die Besetzung der Hainburger Au und die Rolle von Frauen in der Klimakrise.

Foto: Wolfgang Zajc

Sind Frauen Ihrer Meinung nach besonders von der Klimakrise betroffen?

Doris Schmidauer: Frauen und Mädchen leiden gerade in Entwicklungsländern überproportional stark unter den Folgen der Klimakrise. Häufig sind es auch Mädchen und Frauen, die sich um das Sammeln von Feuerholz, das Holen von Wasser oder die Ernährung der Familien kümmern. Wenn die Ressourcen knapper oder durch Naturkatastrophen bedroht werden, betrifft das unmittelbar den Alltag dieser Frauen. Etwa da sie deutlich mehr Zeit dafür aufbringen müssen, um ihre Familien ernähren zu können und dadurch auch jede Chance auf eine Ausbildung und eine nachhaltige Verbesserung ihrer Situation verlieren.

2019 haben Sie Ihre Rede zum Weltfrauentag in der Hofburg unter großem Applaus mit den Worten „The future is female“ beendet. Was meinten Sie damit?

Schmidauer: Auch wenn die Klimastreikbewegung rund um Fridays For Future 2018 von Greta Thunberg, einem damals 15-jährigen Mädchen, ausgegangen ist und Frauen als besonders Betroffene gegen die Klimakrise kämpfen, darf man nicht übersehen, dass Frauen deutlich seltener in politischen Entscheidungspositionen vertreten oder in Entscheidungsprozesse eingebunden sind. Und wenn Frauen nicht mit am Tisch sitzen, werden deren Bedürfnisse auch leicht übersehen.

Das kann – etwas vereinfacht gesagt – auch dazu führen, dass dann häufig über technologische Großprojekte diskutiert wird, während etwa gerade in Entwicklungsländern auch sehr alltägliche Gegenstände, wie energieeffiziente Kocher oder Beleuchtung einen viel größeren Nutzen und Auswirkungen auf das Leben der unmittelbar betroffenen Frauen haben.

Dieses Thema betrifft uns aber auch unmittelbar in Österreich. Wir brauchen viel Pioniergeist und Innovationen um die Klimakrise zu meistern. Damit meine ich neben technologischen Entwicklungen insbesondere auch soziale oder wirtschaftliche Innovationen. Dazu brauchen wir das Potential, die Energie und Kreativität aller Menschen, vor allem auch der Frauen.

Was sind Ihre Herzensanliegen?

Schmidauer: Es gibt drei Bereiche, die mir ein Herzensanliegen sind und für die ich mich engagiere: Klima- und Umweltschutz, Gleichstellung und Chancengleichheit und soziale Projekte.

Diese drei Bereiche hängen für mich auch unmittelbar miteinander zusammen: Der Kampf gegen die Klimakrise ist sicherlich die zentrale Herausforderung unserer Zeit und wir sind wahrscheinlich die letzte Generation, die die Möglichkeit hat, die schlimmsten Auswirkungen der Klimaerwärmung zu verhindern.

Wenn wir die Klimakrise bekämpfen wollen, brauchen wir starke Frauen und Mädchen in allen nur erdenkbaren Rollen – das meine ich jetzt nicht nur in Bezug auf Österreich, sondern weltweit. Dafür braucht es ein Mehr an Gleichberechtigung und eine deutliche Verbesserung der Chancengleichheit von Mädchen und Frauen. Diese braucht es in der Ausbildung als auch im Beruf – gerade, wenn es um technische Berufe und den Bereich der Digitalisierung geht.

Und Bildung und Gleichberechtigung sind wesentliche Hebel, wenn es um soziale Fragen geht. Etwa wenn es darum geht benachteiligten Frauen und Kinder in akuten Notlagen zu helfen bzw. deren Lebensbedingungen langfristig und nachhaltig zu verbessern.

Daher engagiere ich mich für #wirtun der CARITAS, einem Hilfsfonds für Frauen in akuten Krisensituationen in ganz Österreich und auch für die Sauti Kuu Stiftung, welche benachteiligten Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in Kenia Zukunftsperspektiven bietet. Derzeit arbeiten wir an spannenden Kooperationsprojekten, mit dem Ziel, die ökologische, landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Aus- und Weiterbildung in Kenia durch Berufspraktika und Austauschprogramme in Österreich zu unterstützen.

Foto: Caritas

Was müssen wir in Österreich tun, um Geschlechtergleichstellung zu erreichen?

Schmidauer: Wir können es uns schlicht nicht leisten, auf das Potenzial von Frauen zu verzichten, die gerade in technischen Berufen und bei Zukunftsbranchen wie im Bereich der Digitalisierung, aber auch bei der Gründung von Unternehmen deutlich unterrepräsentiert sind.

Das fängt bereits in den Schulen und in den Lehrausbildungen an. Gerade in technischen Berufen, die für die Energiewende zentral sind, haben wir einen extremen Fachkräftemangel. Hier müssen wir es schaffen viel mehr Mädchen für eine Lehre in einem technischen Beruf zu gewinnen. Wichtig sind hier insbesondere Vorbilder und Role Models für Mädchen und Frauen, die zeigen, was möglich ist. Solche Vorbilder müssen noch stärker vor den Vorhang geholt werden.

Darüber hinaus braucht es neben unterschiedlichen Bildungsangeboten auch einen breiten und niederschwelligen Zugang, um selbst positive Erfahrungen machen zu können. Es braucht aber auch eine inklusivere Sprache und gezielte Förderungen, gerade wenn es darum geht Mädchen für technische Berufe zu gewinnen.

Aus diesem Grund habe ich auch die „Initiative Digitalisierung Chancengerecht“ gestartet. Das Ziel dieser Initiative ist, dass Österreich die Chancen der Digitalisierung stärker nutzt und diese im Fokus auf Chancengerechtigkeit ausrichtet. Der digitale Wandel, der inzwischen unseren Alltag unglaublich stark prägt, soll dadurch human, demokratisch, sozial, ökologisch und chancengerecht gestaltet werden. Nur in einer Gesellschaft, in der Chancengleichheit echt gelebt wird, kann es gelingen, wirtschaftlich miteinander erfolgreich zu sein und gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt auf Augenhöhe nachhaltig zu stärken.

Sie waren 1984 an der Besetzung der Hainburger Au beteiligt. Wollen Sie uns davon erzählen?

Schmidauer: Die Besetzung der Hainburger Au war sowohl umwelt- als auch demokratiepolitisch von großer Bedeutung für Österreich. Teil dieser erfolgreichen Bewegung gewesen zu sein, war für mich persönlich ein wichtiges politisches Erlebnis. Ich bewundere heute noch die Organisation dieser Besetzung – so ganz ohne Handys, Social Media und Internet. Per Telefonketten wurden wir verständigt und mit kundigen Lotsen durchs Gelände geführt. Es war ein großartiges Gemeinschaftserlebnis mit so vielen Aktivisten und Aktivistinnen für die Erhaltung der Auen und damit für die Erhaltung unserer natürlichen Lebensgrundlagen einzutreten. Gemeinsam waren wir erfolgreich, haben Geschichte geschrieben und Österreich nachhaltig verändert. Ein Beweis, wie wichtig gesellschaftspolitisches Engagement ist. Jeder/jede von uns kann einen positiven Beitrag leisten!

Zur Person:
Doris Schmidauer wurde 1963 in Grieskirchen geboren. Die Oberösterreichin studierte in Wien Politikwissenschaft und war 19 Jahre lang Geschäftsführerin des Grünen Parlamentsklubs. Heute ist sie selbstständige Unternehmensberaterin. Seit Dezember 2015 ist sie mit Alexander Van der Bellen verheiratet.