Unsere Serie am Ende des Jahres für einen Anfang von Gleichstellung und Klimaschutz in Gemeinden geht weiter. Nach den porträtierten Beispielen aus dem Bereich Ortsgestaltung tragen wir heute Erkenntnisse aus dem Mobilitätsbereich zusammen.
„Eine alltagstaugliche und geschlechtergerechte Stadt wird greifbar, wenn alle Bevölkerungsgruppen selbstbestimmt auf attraktiven Wegen unterwegs sein können.“ (tilia büro für landschaftsplanung 2021: 15)
Welche Besonderheiten gibt es nun, wenn wir Gendergerechtigkeit und Klimaschutz im Mobilitätsbereich näher betrachten? Durch die ungleiche Arbeitsverteilung in unserer Gesellschaft sind es hauptsächlich Frauen, die viel mit Kindern oder älteren Menschen unterwegs sind. Investiert die Gemeinde in eine gute öffentliche Infrastruktur, verbessert sie gleichzeitig den Alltag für Frauen – und für unterschiedliche Generationen – und trägt zur Gendergerechtigkeit bei. Gibt es zum Beispiel ein sicheres und gut ausgebautes Netz an Fußwegen, dichte Intervalle von öffentlichen Verkehrsverbindungen oder auch Aufenthalts- und/oder Spielangebote entlang der Wege, können Kinder und ältere Menschen selbstständig(er) unterwegs sein (tilia büro für landschaftsplanung 2021: 15). Ein Erfolgsfaktor ist für die Landschaftsplanerin Heide Studer, die Verbesserungen und positiven Änderungen nach Außen zu kommunizieren.
Expertinnen aus Planung und Mobilität kommen zu Wort
Zum Start für konkretere Vorschläge, lohnt es sich an unsere Tagung im November zurückzudenken. Denn dort haben uns Expertinnen und Experten, Stakeholder:innen und Gemeindevertreter:innen aus ganz Niederösterreich bereits einige sehr spannende Einblicke in den Mobilitätsbereich gegeben.
Heide Studer erzählte von der Stadt Paris, wo vor Schulen mit dieser Verkehrswende begonnen wird. Dort sei der Widerstand für eine Verkehrsberuhigung aufgrund des Sicherheitsaspektes am geringsten. Deshalb ist es ideal, dort mit der Transformation anzusetzen. Gerade bei der Verkehrsplanung sei das Nutzen von Synergien sinnvoll, man solle das, was man bereits tut, neu denken: Da Straßenoberflächen sowieso alle 30 Jahre erneuert werden, kann dies für eine Umstrukturierung hin zu weniger Versiegelung oder für Begrünung genutzt werden.
Hilfreich sind zudem Beschlüsse für Klimaziele, da festgelegte Ziele zeigen, wo man hinmöchte. Generell ist für die Verkehrsplanung die Förderung von aktiver Mobilität sowie die Einschränkung von motorisiertem Individualverkehr wichtig.
Lina Mosshammer vom VCÖ erwähnte einen Orts- oder Arbeitswechsel als Knackpunkt für (Verhaltens-)Änderungen, da man sich zu solchen Zeitpunkten neue Gedanken zum Mobilitätsverhalten macht.
Die Mobilitätsexpertin betont, dass der Verkehr das Sorgenkind Österreichs ist, wenn es um Klimaschutz geht. Es ist der einzige Sektor, wo die Treibhausgasemissionen noch immer ansteigen. Wichtig ist, dem Menschen der das Haus verlässt, verschiedene Möglichkeiten zu bieten. Das kann sein z. B. eine Stadt der kurzen Wege „15-Minunten-Stadt“, Fahrrad- und Schulstraßen, Tempo 30, das Schaffen von Miteinander oder das (vielfältige) Nutzen von öffentlichem Raum.
Als konkretes Beispiel für ein Miteinander verweist Mosshammer auf den Nibelungenplatz in Tulln, wo die Menschen in der Umgestaltung eines Parkplatzes von Beginn an mit eingebunden wurden.
Blick in die Praxis
Nun schauen wir uns an, welche weiteren Vorzeigeprojekte zu Mobilität unsere Gemeinden in Niederösterreich bieten können.
Mödling. In der Stadt beschäftigte man sich intensiv mit der schwächsten Gruppe, die am Verkehr teilnimmt. Zu Fuß gehen trägt positiv zur Gesundheit und zum Klima bei (siehe Grafik oben). In diesem Zusammenhang entstand der „Lokale Masterplan GEHEN“ mit dem Ziel aktive und klimafreundliche Mobilität zu fördern.
Genannte Maßnahmenvorschläge im Masterplan sind: abwechslungsreiche Gestaltung, Begegnungsplateaus, Änderung der Verkehrsorganisation zugunsten des Fußverkehrs, Barrierefreiheit, Baumpflanzungen, ausreichende Beleuchtung, geschwindigkeitssenkende Maßnahmen, Querungshilfen, (konsumfreie) Sitzgelegenheiten, Spielelemente, öffentliche Toiletten, Vermeidung von Hindernissen auf Gehwegen uvm. Lesen Sie selbst weiter!
Weitere Beispiele in Mödling sind das gratis Schnupperticket für den Citybus, mehr Schulstraßen und mehr Begegnungszonen, Reduktion des individualisierten motorisierten Verkehrs mit flächendeckendem Tempo 40 km/h, E-Car-Sharing, Verlangen von Mobilitätsverträgen der Bauträger sowie das unter die Lupe nehmen des Stellplatz-Regulativs (Verordnung für 1,5 Parkplätze bei neuen Gebäuden).. Für die „letzte Meile“ gibt es Nextbike-Angebote, Lastenradverleih oder den E-Scooter-Verleih.
Silvia Drechsler erzählte von durchgeführten Stadtteil-Sprechstunden, wo die Beschwerden der Bevölkerung zum Thema Verkehr Gehör fanden. Ein perfektes Beispiel dafür, dass Mobilität aktuell und ein Anliegen der Bürger:innen ist. Außerdem erzählte die Vizebürgermeisterin, dass wir Menschen unsere Selbstständigkeit über die Mobilität definieren: Nur wenn man mobil ist, ist man selbstständig. Ein wichtiger Punkt, warum wir uns in den Gemeinden und Orten der Zukunft dem Thema Mobilität widmen sollten.
Warth. In Zusammenarbeit mit Nachbargemeinden hat man gemeinsam ein Konzept zur Verringerung des Verkehrs vor Schulen entworfen: Den SchulGEHBus. Gemeinsam organisierte Hol- und Bringdienste von Angehörigen begleiten die Schüler:innen am Schulweg. Das bringt Sicherheit und Bewegung und noch dazu erhöht sich die Konzentration im Unterricht. Außerdem kommen verschiedene Generationen zusammen und Frauen werden entlastet. Die NÖRegional berät und begleitet beim Start der Initiative.
Windigsteig. In der Marktgemeinde gibt es einen Klimaticket-Verleih. Unter Vorreservierung können sich Bürger:innen das Ticket kostenlos für einen Tag ausborgen und so österreichweit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein. In der Marktgemeinde wird der Verleih vorwiegend von Frauen genutzt. Weiters werden die Gemeindebürger:innen beim Kauf eines eigenen Klimatickets mit 10 % der Kosten und max. 100 € unterstützt.
Zum Weiterlesen Weitere vorbildhafte Mobilitätsprojekte finden Sie auf der Website des VCÖ.