100% Klima:wandeln

Die Klimakrise stellt uns vor neue Herausforderungen: global, in Niederösterreich, in unseren Familien und Freundeskreisen. Sie betrifft dich und mich. Auch das Thema Gender betrifft alle Ebenen.

Seit 11 Monaten beschäftigen wir uns nun stark mit den zwei komplexen Themenfeldern „Klima und Gender“. Im ersten Stakeholder-Dialogs im Juni holten wir uns Inputs von Expert*innen. Bei dem zweiten Treffen im November widmeten wir uns stärker der Praxis. Nach dem Motto: Gender macht die Klimawende erst zu 100% möglich, setzten wir uns zwei Ziele:

  • Gemeinsam erkennen, wie wir unterschiedliche Zugänge von Frauen und Männern für bessere Klimaschutzaktivitäten nutzen können.
  • Ideen sammeln, wie wir durch konkrete Schritte in Richtung Gleichstellung der Geschlechter die Klimaziele besser umsetzen können.

Über 20 Teilnehmer*innen, bunt durchgemischt aus verschiedenen Organisationen und Bereichen, tauschten sich in fünf Kleingruppen aus. Sie fokussierten sich jeweils auf einen Themenbereich: Mobilität, Konsum/Beschaffung, Ernährung, Wohnen und Bildung.

Alle Gruppen kamen zu dem Ergebnis, dass gemischte Teams und Frauen in Entscheidungsgremien wichtige Ansatzpunkte sind um schon in der Planung- und Entscheidungsphase die unterschiedlichen Lebensrealitäten mitzudenken, offen über unterschiedliche Interessen zu sprechen und die unterschiedlichen Zugänge zu nutzen.


Fahrpläne und sichere Wege für ALLE

Im Bereich Mobilität gibt es dahingehend auch schon Datenmaterial. So ist belegt, dass Frauen im Vergleich zu Männern im alltäglichen Mobilitätsverhalten eine geringere Reichweite haben. Sie legen kürzere Strecken in Wohnortsnähe und Wege häufiger in Form von Wegeketten* zurück. Außerdem sind sie im Vergleich zu Männern stärker multimodal** unterwegs.

Ein konkreter Ansatzpunkt wäre daher, die Fahrpläne so zu gestalten, dass sie nicht nur auf den Pendelverkehr ausgerichtet sind, sondern auch Alltagswege damit zurückgelegt werden können. Wichtig ist, dass die Wege barrierefrei und auch für Kinder sicher gestaltet sind. Oft sind es Frauen, die mit Kinderwägen am Gehsteig oder im Bus unterwegs sind, die Kinder am Roller zur Schule begleiten oder auch mit Angehörigen, die auf einen Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind, unterwegs sind. 

Da Frauen oft die Sorgearbeit durchführen, muss auch dieser Blickwinkel bei der Ortsgestaltung bzw. bei Mobilitätsplanungen einen fixen Platz haben. Eine weitere ganz konkrete Maßnahme, ist die Verfügbarkeit von Kindersitzen in e-Carsharing-Autos. Weitere Infos

Nachhaltiger Konsum und gesunde Ernährung für ALLE

Aufgrund gesellschaftlicher Rollenzuschreibungen ist der Bereich Konsum hochgradig stereotypisiert. Das fängt bei den rosaroten Schultaschen an und hört bei der Werbung für Waschmittel auf. Aber was hat Gender jetzt genau mit Ernährung und Konsum zu tun? Nicht nur der Aspekt wie wir konsumieren, ist geschlechtsspezifisch unterschiedlich, sondern auch die Frage wer dafür zuständig ist. 2019 war jede zweite unselbständig erwerbstätige Frau, in einem Teilzeitverhältnis angestellt, verbringt dadurch mehr Zeit zu Hause und ist häufig für die „Care-Arbeit“ zuständig: Kochen, Haushalt, Pflege,…

Studien zeigen, dass Frauen für 80% des Konsums verantwortlich sind bzw. darüber entscheiden was gekauft wird. Das Ergebnis verändert sich allerdings, wenn man nicht die Anzahl der gekauften Produkte, sondern die Höhe des Geldes heranzieht. Dann sind nämlich Männer zu 80% für den Konsum verantwortlich. (Link zur Studie) Wenn es um die Speisenzubereitung geht, sieht die Arbeitsverteilung ähnlich aus (Öst. Ernährungsbericht t 2010). Beobachtungen zeigen, dass Frauen jedoch ihre eigenen Bedürfnisse hintanstellen und hauptsächlich die kulinarischen Wünsche der Männer (viel Fleisch) erfüllen. Hier braucht es männliche Testimonials für gesünderes Essen. Link zum Beitrag

Ein Ansatzpunkt wäre hier die Informationsarbeit. Neben dem Umstieg auf klimafreundliche Produkte, müssen wir für eine nachhaltige Entwicklung auch über das Thema „Weniger ist mehr“ informieren und stärker über alternative Modelle, wie zum Beispiel Tauschkreise oder Einkaufsgenossenschaften nachdenken. Sprechen wir über Konsum, kommen wir am Thema Lieferkette und Arbeitsbedingungen nicht vorbei. In der Textilbranche sind bspw. Frauen am stärksten von gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen betroffen, ganz zu schweigen von der unfairen Bezahlung. Mehr Infos

Auch bei der Nahrungsmittelproduktion gibt es Unterschiede zu erkennen: Bei der Umstellung von konventioneller auf biologische Landwirtschaft sind oft Frauen die treibende Kraft. Das gleiche gilt bei dem Schritt Direktvermarktung einzuführen. Diese Pionierinnen-Rolle muss einerseits gewürdigt und andererseits politisch gestärkt werden. So können regionale Vermarktungen und alternative Konzepte wie Sharing-Plattformen oder Selbsterntegärten im Alltag der Menschen ankommen.

Die Ernährungsmuster von Männern und Frauen werden entscheidend durch die gesellschaftlichen Rollenzuschreibungen und kulturellen Praktiken bestimmt und sind keineswegs naturgegeben. Frauen ernähren sich generell gesünder, essen häufiger frisches Obst und Gemüse und ernähren sich deutlich häufiger als Männer vegetarisch oder vegan. Auch bevorzugen Frauen laut Studien tendenziell mehr Bio- sowie regionale Produkte.“ https://www.genanet.de/themen/landwirtschaft-ernaehrung

Viele der genannten Aspekte führen aus gesellschaftlichen Rollenzuschreiben zurück, gerade deswegen müssen wir sie stärker in den Fokus der Politikgestaltung rücken. Und natürlich spielt auch hier die Wort- und Bildsprache eine wichtige Rolle – vor allem im Bereich der Werbung.

Ökologische Räume für ALLE

Die Gender- und klimagerechte Gestaltung von Städten und Gemeinden spielt eine wichtige Rolle, besonders für die Gleichstellung zukünftiger Generationen. Statistisch gesehen verbringen Frauen mehr Zeit in der Wohnumgebung als Männer. Diese ist für sie nicht nur Erholungsraum, sondern vor allem auch Arbeitsplatz für Betreuungs- und Hausarbeit.

Kurze Weg erleichtern – wie beim Thema Mobilität schon angesprochen – den Alltag. Durch eine intelligente Nutzung von Leerständen könnte Bodenversiegelung reduziert und eine Verdichtung in Wohnsiedlungen gestärkt werden. Hier wurde als Zukunftsthema das „Generationenübergreifende-Wohnen“ genannt, denn so kann die Care-Arbeit besser aufgeteilt werden.

Mehr Gemeinschaftsflächen wie Gärten oder Spielplätze, kurze und gut ausgeleuchtete Wege, Abstellflächen für Kinderwägen oder ein flächendeckendes Kindebetreuungsangebot wurden als konkrete Ansatzpunkte genannt. Im Bereich Wohnen ist es vor allem wichtig, in den strukturellen Bereichen, also bspw. bei Bau- oder Förderrichtlinien auf die genderrechte Gestaltung Rücksicht zu nehmen. Weitere Infos

Nachhaltige Bildung für ALLE

Die Umweltbildung in Schulen ist in Österreich bereits sehr gut ausgebaut und soll auch in Zukunft verstärkt und gestärkt werden. Eine Lücke gibt es noch im außerschulischen Bildungsbereich, hier könnten mehr Bildungsangebote unter Einbeziehung von Frauen, zu einem stärkeren Klimabewusstsein führen. Dabei muss das Rad nicht neu erfunden werden, denn es gibt bereits viele Frauen-Netzwerke an die angeknüpft werden kann.

Partizipation wird als wesentliche Methode gesehen, um Genderperspektiven verstärkt in Klimaschutz-Anstrengungen zu integrieren, sei es durch Kindergemeinderäte oder Bürger*innen-Beteiligungsprojekten.

Unser Fazit: Durch eine stärkere Teilhabe von Frauen in Prozessen können wir die Klimaziele schneller und besser erreichen. Mit Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen, bei denen alle mitgedacht werden, können Lebensrealitäten vieler Frauen verbessert und die Akzeptanz und Annahme von Klimaschutzmaßnahmen erhöht werden.

Denn eine Klimawende kann nur funktionieren, wenn alle an einem Strang ziehen. Egal ob Politik, Wirtschaft oder Zivilgesellschaft, Länder des Südens oder die G-20-Staaten, Jung oder Alt, Mann- oder Frau.
Wir brauchen ALLE im vollen Umfang für die Klimawende.

* Unter Wegeketten wird die Gesamtheit der Wege in chronologischer Reihenfolge, die eine Person innerhalb eines bestimmten Zeitraums (i. d. R. ein Tag) zurücklegt. Ein Beispiel: zu Hause – Kindergarten – Arbeit – Einkaufen – Kindergarten – zu Hause

** Multimodaler Verkehr meint die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel für unterschiedliche Wege.